Die Chinesische Medizin basiert zu weiten Teilen auf Beobachtungen der Vorgänge in der Natur. Diese werden in sogenannte Denkmodelle umgemünzt und für die Heilarbeit am Menschen eingesetzt. Kleine Lebenswelten spiegeln sich in grossen wider und umgekehrt. Diese Gesetzmässigkeit nennt sich Mikro-Makrokosmos.

Sich neue Denkmodelle anzueignen ist eine Herausforderung für versierte Patienten. Aber es lohnt sich, denn jedes Modell bereichert um eine neue Perspektive, aus der die eigene Situation und die Welt betrachtet werden können.

Ob Physik, Chemie, Biologie oder Medizin − das grundlegende Denkmodell der modernen Wissenschaften ist immer die Mathematik. Folglich wird auch in der konventionellen Medizin gezählt, gemessen und gerechnet. Man gibt den Blutdruck in Millimeter auf der Quecksilbersäule (mmHg) an, den Körpermasseindex in Kilogramm pro Körpergröße in Meter zum Quadrat (kg/m2), die Blutsenkungsgeschwindigkeit in Millimeter nach Westergren (mm n. W.), die Pulsfrequenz in Hertz (Hz) usw.

In der Chinesischen Medizin dagegen wird eher qualifiziert als quantifiziert. Wir vergleichen und bewerten nicht anhand von Zahlen und Skalen, sondern suchen nach entsprechenden Mechanismen und Modellen in der Natur. Die Denkmodelle verleihen dem Prozess von der Anamnese bis hin zur Therapie eine Struktur und fungieren als Leitkriterien. Ihr primärer Zweck ist nicht das Feststellen statischer Zustände, sondern Verständnis zu gewinnen für das dynamsiche Zusammenspiel der Funktionskreise und für deren Interaktion mit den Umgebungsfaktoren.

In der Chinesischen Medizin nutzen wir rund ein Dutzend verschiedener Modelle. Einige, um den Einfluss klimatischer Faktoren zu erkennen, andere, um physiologische Ungleichgewichte, beispielsweise in den Leitbahnen, zu detektieren, wiederum andere, um den Zusammenhang zwischen Krankheit und Lebensweise zu verstehen.

Denkmodelle Überblick (c) Raphael Hochstrasser

Im Vergleich zur Mathematik sind die Denkmodelle der CM weniger universell, dafür decken sie einige Bereiche der Medizin spezifischer ab. Manchmal überschneiden sie sich und manchmal kommt es zu Widersprüchen. Diese lassen wir in der CM bewusst stehen, denn sie erinnern uns daran, dass es sich eben bloss um theoretische Modelle handelt und nicht um absolute Wahrheiten. Überdies lassen sich – man nennt das Dialektik – aus den Widersprüchen höhere Einsichten gewinnen. Denkmodelle sind kognitive Werkzeuge, um sich im Dschungel der unendlichen Vielfalt zurechtzufinden. Wer sich zu sehr daran klammert, kommt nicht weit. Ihren vollen Nutzen entfalten sie erst im spielerischen Umgang.

Hier eine Hand voll der wichtigsten Denkmodelle der Chinesischen Medizin ...

  • 八綱 Ba Gang

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  • 傷寒論 Shang Han Lun

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  • 溫 病 Wen Bing

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  • 五行 Wu Xing

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  • 陰陽 Yīn Yáng

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    Das wohl bekannteste und grundlegendste Denkmodell der östlichen Wissenschaften weist eine enorme Dynamik und Universalität auf.
    Wie die ursprüngliche Bedeutung der Zeichen verdeutlicht, wurde anfänglich nur in statischen Entsprechungen gedacht: Das Schriftzeichen Yáng 陽 stand für "Sonnenseite des Hügels", Yīn 陰 für "Schattenseite des Hügels."

    Doch seit spätestens 400 vor Chr. bedient man sich diesem Modell auch, um dynamische und zyklische Prozesse bei Mensch und Natur zu beschreiben. Mit Yin Yang lässt sich beispielsweise wunderbar die Entstehung und das Wesen des Universums bzw. der Erde beschreiben, wobei auch der Unterschied zum Dualismus deutlich wird.

    Hier eine typische, statische Assoziationsreihe:

    Eigenschaften von Yin Yang:

    • Yin Yang ist kein Mess-, sondern ein Beobachtungswerkzeug. Weder Yin noch Yang ist dem einen moralisch oder qualitativ überlegen.

    • Yin und Yang sind im Sinne der Naturgesetze nicht antagonistisch, sondern komplementär. (Nicht Gegenspieler, sondern ergänzende Partner.)

    • Yin Yang findet Verwendung als Grundstein für komplexere Denkmodelle (Ba Gang, Yi Jing, usw.), ist aber auch eigenständig und ganzheitlich für eine Vielzahl von Wissenschaften anwendbar. Besondere Bedeutung hat es natürlich im Feng Shui und in der TCM.

    • Es braucht immer ein bisschen Yang im Yin und umgekehrt. Dort wo das Yin am stärksten ist, enthält es auch am meisten Yang. (Als Vergleich stelle man sich eine Besatzungsmacht vor, die um so leichter Ihr Tun rechtfertigen kann, je "schlimmer" die Aufstände sind. Wogegen z. B. die britischen Kolonialisten gegen Gandhis gewaltlose Boykotte machtlos waren.)

    • Das Yin Yang Modell wird leider oft NUR in beschränktem Umfang, als statisches bzw. dualistisches Modell verstanden und eingesetzt. Auf der anderen Seite übersehen gerade fortgeschrittene Praktiker diese simple Interpretationsmöglichkeit zu Gunsten komplexeren Modellen. (Ein klassisches Yin Yang-Ungleichgewicht: Den Praktikern (Yang) fehlt es an Yin, den Theoretikern (Yin) fehlt es an Yang...;o)

    • Yin Yang hat einen dialektischen Charakter.

    • Verschiedene in der TCM eingesetzte Mittel können relativiert werden:

    Yin-Yang bildet das relevanteste der ungefähr zwölf Denkmodelle, die in der TCM häufig eingesetzt werden. Zunächst bei der Diagnose, wo ermittelt wird, ob starke oder langanhaltende Ungleichgewichte vorherrschen. Falls ja, werden sie durch Massnahmen im Lebensalltag und mit therapeutischen Interventionen ausgeglichen. Exemplarisch für Yin und Yang in der Ernährung wären dies: Für das Yin Wurzeln, Nüsse, Eiweisse bzw. katabolische und dichte Nahrung, für das Yang Kohlenhydrate, Scharfes bzw. anabolische und schnellverdaubare Nahrung. Massnahmen im Lebensalltag wären viel Schlaf (Yin) bzw. viel Aktivität (Yang), und in der Therapie Akupunktur (Yin-Yang in den Leitbahnen regulieren), Akupunktur mit Moxibustion (Yang) oder Arzneitherapie (Yin oder Yang stärken oder regulieren, usw.), usw.

    Mehr über Yīn Yáng am Beispiel des Vorfrühlings

  • 臟腑 Zang Fu

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