Die Chinesische Medizin basiert zu weiten Teilen auf Beobachtungen der Vorgänge in der Natur. Diese werden in sogenannte Denkmodelle umgemünzt und für die Heilarbeit am Menschen eingesetzt. Kleine Lebenswelten spiegeln sich in grossen wider und umgekehrt. Diese Gesetzmässigkeit nennt sich Mikro-Makrokosmos.
Sich neue Denkmodelle anzueignen ist eine Herausforderung für versierte Patienten. Aber es lohnt sich, denn jedes Modell bereichert um eine neue Perspektive, aus der die eigene Situation und die Welt betrachtet werden können.
Ob Physik, Chemie, Biologie oder Medizin − das grundlegende Denkmodell der modernen Wissenschaften ist immer die Mathematik. Folglich wird auch in der konventionellen Medizin gezählt, gemessen und gerechnet. Man gibt den Blutdruck in Millimeter auf der Quecksilbersäule (mmHg) an, den Körpermasseindex in Kilogramm pro Körpergröße in Meter zum Quadrat (kg/m2), die Blutsenkungsgeschwindigkeit in Millimeter nach Westergren (mm n. W.), die Pulsfrequenz in Hertz (Hz) usw.
In der Chinesischen Medizin dagegen wird eher qualifiziert als quantifiziert. Wir vergleichen und bewerten nicht anhand von Zahlen und Skalen, sondern suchen nach entsprechenden Mechanismen und Modellen in der Natur. Die Denkmodelle verleihen dem Prozess von der Anamnese bis hin zur Therapie eine Struktur und fungieren als Leitkriterien. Ihr primärer Zweck ist nicht das Feststellen statischer Zustände, sondern Verständnis zu gewinnen für das dynamsiche Zusammenspiel der Funktionskreise und für deren Interaktion mit den Umgebungsfaktoren.
In der Chinesischen Medizin nutzen wir rund ein Dutzend verschiedener Modelle. Einige, um den Einfluss klimatischer Faktoren zu erkennen, andere, um physiologische Ungleichgewichte, beispielsweise in den Leitbahnen, zu detektieren, wiederum andere, um den Zusammenhang zwischen Krankheit und Lebensweise zu verstehen.
Im Vergleich zur Mathematik sind die Denkmodelle der CM weniger universell, dafür decken sie einige Bereiche der Medizin spezifischer ab. Manchmal überschneiden sie sich und manchmal kommt es zu Widersprüchen. Diese lassen wir in der CM bewusst stehen, denn sie erinnern uns daran, dass es sich eben bloss um theoretische Modelle handelt und nicht um absolute Wahrheiten. Überdies lassen sich – man nennt das Dialektik – aus den Widersprüchen höhere Einsichten gewinnen. Denkmodelle sind kognitive Werkzeuge, um sich im Dschungel der unendlichen Vielfalt zurechtzufinden. Wer sich zu sehr daran klammert, kommt nicht weit. Ihren vollen Nutzen entfalten sie erst im spielerischen Umgang.
Hier eine Hand voll der wichtigsten Denkmodelle der Chinesischen Medizin ...
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八綱 Ba Gang
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傷寒論 Shang Han Lun
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溫 病 Wen Bing
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五行 Wu Xing
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陰陽 Yīn Yáng
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臟腑 Zang Fu
脏 = Záng = Speicherorgane: Leber, Herz, Milz, Lunge und Nieren.
腑 = Fǔ = Hohlorgane: Gallenblase, Dünndarm, Magen, Dickdarm und Harnblase.Dazu kommen noch die ausserordentliche Zang Fu, die sowohl Speicher-, als auch Hohlorgane sind: Uterus, Gehirn, Knochen, Marksubstanz, Blutgefässe und nochmals Gallenblase.
Auch das Zang-Fu Modell spielt eine zentrale Rollen in der Chinesischen Medizin. Im Wesentlichen werden damit die funktionalen Zusammenhänge der Inneren Organe beschrieben. Die Organe verstehen sich aber nicht als physisch abgegrenzte Gebilde, sondern als komplette Funktionskreise, Systeme mit Körperfunktionen, zugehörigen Strukturen, Sinnesorganen, geistigen Fähigkeiten, usw. Ebenfalls können den Zang Fu entsprechende Krankheiten, Symptomgruppen, Syndrome und Disharmoniemuster zugeordnet werden.
Im wesentlichen entsprechen die Attribute der einzelnen Funktionskreise jenen des Wu Xing (5 Wandlungs-Elemente). Ebenso werden die Beziehungen der Organe untereinander, sowie die Gewinnung, Prozessierung und Verteilung des Qi und anderer Grundsubstanzen (Xue, Jing, Ye, usw.) beschrieben.
Tipp zum Weiterlesen: Artikel über das Qi