Qì(气), Aussprache: "Tschi" oder nach IPA: "tɕʰi". Das Chinesische Schriftzeichen für Luft (氣) entspricht einem mit Reis (米) gefüllten Topf, der Dampf (气) aufsteigen lässt. Im Zeichen für Qì (气) symbolisieren also die drei horizontalen Linien den aufsteigenden Dampf. Symbolisch und philosophisch betrachtet, steht dieser Dampf für das Leben (Qi) zwischen Himmel (yang) und Erde (yin). Um aus Materie (Reis) universelle Energie (Dampf / Qi) zu gewinnen, bedarf es einem Gefäss (Topf / Körper), sowie Feuer (yang) und Wasser (yin).
Qi ist der universale Stoff, aus dem alles Existierende besteht: Materie, Licht, Gedanken und sämtliche Energieformen. In Anbetracht der einsteinschen Formel E=mc2 kommt das Deutsche Wort "Energie" der Bedeutung von "Qi" wohl am nächsten. Tatsächlich lässt sich in unserem Wortschatz jedoch kein Begriff finden, welcher der vollen Bedeutung von Qi gerecht würde. Qi wird als Oberbegriff für das grundlegendste Element aller existierenden Dinge, also für das Dao, welches keine spezifische materielle Natur besitzt, verwendet. Aber es werden ihm auch je nach Einsatzgebiet verschiedene Qualitäten mit unzähligen Implikationen zugeordnet, sei es z. B. in der Kunst, Wissenschaft oder Philosophie.
"Das Leben eines menschlichen Wesens ist nichts als das Sammeln von Qi. Sammelt sich das Qi, entsteht Leben. Zerstreut sich das Qi, endet das Leben im Tod."
Zitat von Zhuan Zi, Daoistischer Philosoph, ~300 v. Chr.:
Die Chinesische Medizin kennt viele theoretische Modelle und Systeme. Wenn von Qi die Rede ist, wird häufig das Qi als Grundsubstanz gemeint.
Grundsubstanzen in der TCM:
Weitere Definitionen von Qi bzw. Qi-Qualitäten in der TCM:
Das Qi in den Leitbahnen wird Jing-Qi genannt und ist vergleichbar mit einer Horde kleiner Kinder. Die Akupunkturpunkte sind Tore zum Leitbahnsystem, über welche mit diesen Kindern, z. B. per Akupunktur, kommuniziert werden kann. Wird sie gerufen, reagiert die Horde je nach Umständen, Gesundheit, Tageszeit, usw. mal schneller, mal langsamer. Manchmal lassen sich die Kinder nur äusserst zögerlich anlocken, manchmal blitzartig, manchmal wirbeln sie wie wild durch die Leitbahnen. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Empfindungen der Menschen während der Akupunkturbehandlung.
Die klassische Metapher ist jedoch ein Wassersystem. Das Meridiane gleichen einem Wassernetz mit Quellen, Brunnen, Bächen, Flüssen und Seen. Die Akupunkturpunkte, welche sich in anatomischen Mulden oder Erhebungen befinden, entsprechen Rinnsaalen, Sammelbecken, Wasserfällen, usw.
Spannend ist auch der Vergleich zu ähnlichen Konzepten in anderen Kulturen:
Z. b. Prāna, das vom Sanskrit (die heilige Schrift der Veden) zu Lebensatem, Lebensodem, Lebenskraft oder die den Körper durchdringende kosmische Energie übersetzt werden kann. Oder Orgon, ein Begriff, mit dem Wilhelm Reich (1897-1957) die primordiale kosmische Energie definierte, die er Ende der 30er Jahre an einer Bionkultur entdeckt zu haben glaubte. Mana wird in den traditionellen kulturellen und religiösen Überzeugungen der Völker Polynesiens als Begriff für universelle Lebenskraft und spirituelle Energie gebraucht. Baraka gilt im Islam als eine Art Segenskraft, die häufig an eine Person oder einen Ort gebunden wird, und von Orten und Menschen auf Gegenstände übertragen werden kann. Baraka wird zudem in der Sufi-Sprache verwendet, und kann übersetzt werden als Atem des Lebens. Der angelsächsische Begriff Wyrd steht für das alldurchdringende energetische Netz, welches die verschiedenen Ebenen der Realitäten miteinander verbindet.
Verschiedene Kulturen beschreiben mit ihrem unterschiedlichen Verständnis das selbe Konzept. Besonders auffällig sind die jeweils engen Verknüpfung zu den geistigen und spirituellen Aspekten ebenso wie zum Lebensatem. Damit ist nicht nur Lungenatmung gemeint, sondern z. B. auch der Lebensatem einer Pflanze. Auch Pflanzen benötigen Qi. Qi ist die Lebenskraft, die alles erschafft und am Leben erhält. Besitzt etwas Qi, ist Leben darin enthalten. Besitzen auch Steine, Mineralien (z. B. Kristalle oder Edelsteine) Qi? Mineralien können, je nach chemischer und physikalischer Struktur, in Resonanz mit ihrer Umgebung treten. Zwei unterschiedlich schwingende Resonanzkörper reagieren aufeinenander, es kommt zu einem Austausch. Besitzt ein Stein gewisse Merkmale in seiner organischen Struktur, die dem Kommunikationspartner fehlen, kann eine ausgleichende Übertragung stattfinden. Das ist das Prinzip mit dem Mineralien und Edelsteine zu Heilzwecken verwendet werden können.
Wagen wir noch einen weiteren Schritt. Baraka bedeutet für die Sufis unter anderem auch Segenskraft. Segen, so sagt das Lexikon, hat seine sprachhistorischen Wurzeln im althochdeutschen Wort segan, was aus dem lateinischen signare ("mit dem Zeichen versehen") hervorgegangen ist. Der Begriff bezeichnet zudem das Aussprechen einer wohlmeinenden Formel oder eines Gebetes. Der Segen ist mit Gebärden verbunden, um z. B. mit den Händen, Augen oder blossen Gedanken Heilkraft auf andere zu übertragen. Ebenfalls erwähnenswert ist der Tai Chi Meister, der mit seiner Gebärde Qi bewegen oder ausschicken kann. Diese Gebärden symbolisieren dabei das Wirken Gottes (z. B. ein Priester in der heiligen Messe) oder sie sind direkt Mittel zur Übertragung der Segens-Energie. Es handelt sich also nicht einfach um eine symbolische Handlung, sondern um einen tatsächlich Akt der Übertragung des Inhaltes dieses Segens. Alles was Qi besitzt, kann es also auch weiter geben. Bei den Menschen spielen dabei gewisse Voraussetzungen wie Gesundheitszustand, Verfassung oder Übung eine Rolle. Das Lexikon definiert bei Segen unter anderem auch wohlmeinende Formel, was besonders interessant ist, weil hier der Punkt von Ganzheit, (dt. wohl, engl. whole = Ganz) mit eingebracht wird. Gesundheit und "Wohl sein" kann auch mit "Ganz sein", oder eben "Ganzheitlich sein" verbunden werden.
Es ist also von zentraler Bedeutung, das wir ein Kanal für diesen Aspekt der Heilung sein können, für den Segen, den Lebensatem, der Lebensenergie, von Qi, Baraka oder Prana. Verstehen wir es, die auslösende Formel zu kennen und anzuwenden, um tatsächlich wohlmeinende Lebenskraft auszusenden, können wir den Begriff von Qi noch stärker erforschen. Wir werden sozusagen zu einer Qi-Quelle. Eine sehr starke Form von Segen oder von diesem Wohlwollen ist sicherlich die Liebe. Es gibt viele Qualitäten der Liebe, unterschiedlich weit entwickelte Formen, besitzergreifende oder befreiende Liebe, freundschaftliche Liebe, geschwisterliche Liebe, es gibt fordernde Liebe oder erotische Liebe, mütterliche Liebe oder die Liebe von einem Kind für seinen Spielkameraden und es gibt göttliche Liebe. Die letztere lässt Freiheit, bringt Wahrheit, öffnet Tür und Tor zum Himmel, zur Harmonie nach einem Streit und lässt das Bewusstsein wachsen - ein wahrlicher Segen. Wir können uns entscheiden, wie wir durchs Leben gehen wollen. Wir können auch, wie oben aufgezeigt, zum Kanal werden für den Segen und die Liebe des Göttlichen. Und dies nicht nur mit speziell eingeübten Bewegungen wie im Qi-Gong, sondern ganz einfach indem wir uns entscheiden einen Kanal für das göttliche Qi zu sein, zu unserem eigenem und dem Wohle des Ganzen.
Weitere interessante Ansätze, wie der Faden des Lebens und Liebens gesponnen werden kann: Daoismus - Eine universelle Bedienungsanleitung